Es war der adelige Sitz der Familie von Schulte. 1664 erbaute der Ritterschaftspräsident Dietrich von Schulte hier das erste Gutshaus und bezog es mit seiner Gemahlin Christina Baronessin von Erskin.
Das Gutshaus war ein zweigeschossiges mit Reet gedecktes Fachwerkhaus, dessen Gefache mit gebrannten Ziegeln gefüllt waren. Der erste Stock hatte einen Vorplatz, einen Altan, der über dem Haupteingang nach Osten gerichtet lag.
Hölzerne Wasserleitungen führten von einer nahen Quelle zu einem Brunnen auf dem Hof. Im Vorwerk war das Gesinde mit Stube und Kammern untergebracht. Der Kuhstall war ebenfalls in dem Gebäude. Das zweigeschossige Verwalterhaus war bewohnt vom jeweiligen Verwalter des Gutes. Dieser vertrat auch die Herren von Schulte während ihrer Abwesenheit vor Gericht.
Weitere Gebäude waren der Schweinestall, der Ochsenstall, der Kutsch- und Ackerswagenchauer, der Getreidespeicher, die Kornscheune, das Wasch- und Backhaus mit der Milchkammer, der Eiskeller und das Torfhaus.
Der letzte Erbherr auf Burgsittensen war Alexander Theodor Georg Baron von Schulte. Mitte des 19. Jahrhunderts ließ er das alte Gutshaus abreißen und das Jagdschloss errichten. 1856 war es eingeschossig mit einem Satteldach fertiggestellt. Hochverschuldet musste der Baron von Schulte zwei Jahrzehnte später seine Besitzungen aufgeben und es kam zur Zwangsversteigerung.
1880 ging das Gut in den Besitz der Klosterkammer Hannover über, die von da an das Gut durch Pächter bewirtschaften lässt. Die ersten Um- und Erweiterungsbauten nahm der erste Pächter, Herr G. Garrels, vor. Er ließ das Gebäude aufstocken und richtete im ersten Geschoss Zimmer für Bedienstete ein. Im Hochparterre ließ er einen Wintergarten bauen.
Achtzehn Güter unterschiedlicher Geschichte, Größe und Gestalt gehören zum Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds, der von der Klosterkammer Hannover verwaltet wird und aus dessen Erträgen die Klosterkammer ihre umfangreichen Stiftungsaufgaben erfüllt. Die Gebäude dieser Güter und die zugehörigen Freianlagen sind fester Bestandteil des zu erhaltenden denkmalwerten Gütererbes, jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung wenig präsent. Eines der Güter, Burgsittensen, befindet sich umgeben von Moor, feuchten Wiesen, Ackerflächen und Wald in Alleinlage unweit der etwa 6.000 Einwohner großen Ortschaft Sittensen. In Burgsittensen stehen in den kommenden Jahren größere Veränderungen an, die mit einem Pächterwechsel ihren Anfang nahmen und sich wahrscheinlich auch in der Nutzung des Gutes niederschlagen werden.
Perspektivisch wird auszuloten sein, inwiefern landwirtschaftsnahe oder andere Nutzungen in den Gebäuden und auf dem Gutsgelände angesiedelt werden können. Die aktuelle Situation gibt Anlass zur Auseinandersetzung mit der Bau- und Gartenbaugeschichte des Gutes.
Um dem im Laufe der Zeit stetig veränderten Objekt künftig wieder mehr Qualität zu verleihen, wurde eine denkmalpflegerische Zielplanung in Auftrag gegeben, die Handlungsempfehlungen formuliert.
Das Gut besteht seit dem 17. Jahrhundert am genannten Standort. Aus einer 1718 unter dem Gutsbesitzer Alexander von Schulte gefertigten Beschreibung geht hervor, dass eine mit einem Graben umgebene Anlage vorhanden war, die von Süden über einen Steindamm, der mit Linden bepflanzt war, erreicht werden konnte. Die Kurhannoversche Landesaufnahme von 1766 zeigt in etwa die damalige Situation des Gutes mit geometrisch geordneten Gärten (Abb. 1). 1801 fiel das Gut an Alexanders Sohn Caspar Detlev von Schulte, der es bis 1846 führte und zu einem Mustergut umgestaltete. Er baute Wirtschaftsgebäude, befestigte Flächen, legte einen landschaftlich gestalteten Lustgarten an und pflanzte 200 Obstbäume im moorastigen Areal. Schulte weilte aufgrund seiner Tätigkeit als Kammerrat nahezu ausschließlich in Hannover und übergab Burgsittensen einem Verwalter. Dennoch schlug sich Schultes Interesse an Gärten und Gartenbau in Burgsittensen nieder. In Hannover pflegte Schulte Umgang mit dem Gartenkünstler Christi-an Schaumburg. Beide Männer gehörten nach 1829 zum Vorstand des Garten-bau-Vereins für das Königreich Hannover. Zudem ließ Schulte in Hannover die namhafte Villa Bella Vista durch Georg Ludwig Friedrich Laves errichten und durch Christian Schaumburg die zugehörige Parkanlage anlegen. Angesichts dieses engen Kontakts darf angenommen werden, dass Christian Schaumburg beratend, vielleicht auch gestaltend in Burgsittensen einbezogen worden ist.
Alexander Theodor August von Schulte trat die Nachfolge des 1846 verstorbenen Casper als Gutsbesitzer an. Unter ihm wurde das alte Gutshaus abgebrochen und 1852-56 ein neues an der heutigen Stelle errichtet. Das Planwerk von 1862 legt Zeugnis darüber ab und zeigt neben dem alten Gebäude auch den Standort des Neubaus (Abb. 2). Das Gutshaus steht seitdem nicht mehr im Zentrum des Gartens, sondern im Norden desselben, was Veränderungen am Wegenetz und an den Sichtbeziehungen nach sich zog.
Alexander Theodor tätigte während seiner Zuständigkeit für das geerbte Gut nur sehr reduziert Investitionen. Im Gegenzug schöpfte er mehr Werte ab, als das Gut einbrachte. Dies führte schließlich dazu, dass er Ende der 1870er Jahre so hoch verschuldet war, dass er dieses und andere Güter veräußern musste. Das Gut fiel dadurch an den Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds, der das Objekt verpachtete. Baulich wurde um 1900 unter anderem die Aufstockung des Gutshauses sowie die Anlage eines Wintergartens vollzogen. Nachfolgende Pächter unterhielten das Gut nach ihren Ansprüchen und er-weiterten oder reduzierten Gebäude und Elemente. Die gartenbauliche Nutzung wurde bis auf kleine Teilstücke eingestellt.
Burgsittensen ist ein typischer ländlicher Gutsbetrieb mit Wirtschafts-, Wohn- und Repräsentationsbereichen. Gestalterisch realisiert wurde dies durch die Zwei-teilung des inneren Bezirks in den Guts -hof einerseits und das villenähnliche Gutshaus mit Lustgarten andererseits. Auffällig ist der Aufwand, den insbesondere Caspar Detlev von Schulte mit dieser Liegenschaft betrieb. Auf seine Initiative geht die Gestaltung des das Gutshaus umgebenden Landschaftsgartens zurück. Unter seinem Sohn wurde schließlich ein neues Herrenhaus errichtet, das durch seine Lage deutliche Veränderungen auf Hof- und Parkgelände mit sich brachte. Diese Veränderungen setzten sich auch in Folge fort. Zwar blieb der repräsentative Anspruch auch in den folgenden Jahrzehn-ten und Jahrhunderten bestehen, doch stand fortan die Wertschöpfung aus dem Objekt und seinen Flächen im Vorder-grund. Die hierbei eingetretenen Veränderungen waren für das Ensemble nicht immer von Vorteil.
Basierend auf den Ergebnissen der geschichtlichen Auseinandersetzung und Bewertung wurde eine denkmalpflegerische Zielplanung erstellt (Abb. 4 u. 5). Sie empfiehlt, den etwa zwischen 1830 und 1910 geformten Zustand der Anlage herauszuarbeiten. Diese Zeitspanne darf ohne Frage als eine Blütephase bezeichnet werden, in der die verschiedenen Zweige der Gutswirtschaft und der Bau des Guts-hauses in einer qualitätvoll durchgestalte-ten Gartenlandschaft zueinander in Bezug gesetzt worden sind.
Im Hinblick auf eine ganzheitliche Aufwertung und Wiederherstellung entsprechend der Zielplanung sind zunächst umfangreiche Fällarbeiten erforderlich. Hierdurch soll das ursprüngliche Raumkonzept der Repräsentations-, Hof- und Nutzflächen wieder zum Tragen kommen. Die beiden ehemaligen gartenbaulichen Nutzgartenflächen sollen künftig frei von Aufwuchs gehalten werden und beispielsweise als Wiese oder Weide dienen. Sofern möglich, würde eine Aufpflanzung der 200 Obstbäume begrüßt. Das Areal des Wirtschaftshofes sollte künftig sowohl in seiner Substanz gesichert als auch angemessen weiterentwickelt werden. Neben dem Erhalt historischer Bausubstanz bieten vorhandene Neubauten durch Umnutzung oder Neugestaltung Möglichkeiten, die Fläche im Spannungsfeld zwischen Historie und Moderne zu entwickeln, ohne die gestalterisch-bauliche Qualität des Ensembles aus den Augen zu verlieren. Zusätzlich könnte erwogen werden, eine landwirtschaftliche Erschließung künftig von Osten her zu ermöglichen, um die historischen Verkehrsflächen vor zu hoher Auflast und Zerstörung zu schützen. Der nordwestliche Teil des Wirtschaftshofes sollte so weit wie möglich frei von Baulichkeiten gehalten und das Areal künftig wieder stärker dem Park zugeordnet werden. Schließlich sollte eine differenzierte Beschäftigung mit dem Parkbereich im Umfeld des Herrenhauses erfolgen. Nach Entfernung unpassender Gehölze wird das historische Wegenetz besser nachvollziehbar sein. Anhand einer Überlagerung aller relevanten Planwerke zeigte sich, dass die zwischen 1880 und 1935 dokumentierten Strukturen weitgehend übereinstimmen. Aus diesem Grund soll diese Zeitspanne das Leitmotiv für die Grundstruktur der Wege liefern. Anschließende Nachpflanzungen fehlender Gehölze können die Anlage komplettieren.
Bei der Erarbeitung von Zielplanungen für die Erhaltung von zu Gütern gehörigen Freianlagen besteht die Aufgabe darin, die wichtigen denkmalwerten Strukturen zu bewahren, ohne eine heutigen Bedürfnissen entsprechende Nutzung und die zukünftige Weiterentwicklung auszuschließen.
Die Anlagen unterliegen dem Spannungsfeld zwischen denkmalpflegerischen Anforderungen und wirtschaftlichen Erfordernissen im Kontext eines landwirtschaftlichen Betriebes: Die Pflege
der Anlagen und entsprechend auch die Umsetzung solcher Zielplanungen obliegt grundsätzlich den Pächtern der Güter. Sie müssen in die Lage versetzt werden, die Anlagen pflegen zu können und entsprechend sind – in angemessenem Umfang – Vereinfachungen zuzugestehen.
Jens Beck: Ein „Mustergut“ des 19. Jahrhunderts. In Burgsittensen betrieb Caspar Detlev von Schulte Obstbau und Landwirtschaft auf hohem Niveau, in: Heimat und Kultur zwischen Elbe und Weser 26 (2007) Heft 4, S. 13–15. Jens Beck: Historische Gutsgärten im Elbe-Weser-Raum. Geschichte und kulturhistorische Bedeutung der Gutsgärten als Teil der Kulturlandschaft, Stade 2009, bes. S. 241–253.
Andreas von Hoeren (Dipl.-Ing. Hoeren und Hantke): Denkmalpflegerische Konzeption für die Freianlagen des Klostergutes Burgsittensen, erstellt im Auftrag der Klosterkammer Hannover 2017. Birte Rogacki-Thiemann: Das („Kloster“-) Gut Burgsittensen über die Jahrhunderte. Gutachten zu den Außenanlagen, erstellt im Auftrag der Klosterkammer Hannover 2015.
Quellenhinweis „Ein Bericht von Andreas von Hoeren und Christina Lippert veröffentlicht in der Zeitschrift „Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 1/2018“
Verlagshomepage (www.niemeyer-buch.de)
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